Barrierefreie Webseiten – für 30% sind sie notwendig, für 10% unerlässlich und für 100% ein Gewinn

Pia Spengler, Grit Marti Lange


#Green IT
#Eco Branding
Grafik auf die der Slogan "Barriefreie Webseiten" zu lesen ist.

Intro

Online arbeiten, mal eben eine Überweisung am Handy tätigen oder schnell ein paar neue Klamotten bestellen: Nahezu alle Lebensbereiche spielen sich mittlerweile im digitalen Raum ab und erleichtern ganz selbstverständlich den Alltag. Für viele Menschen sieht die Realität leider anders aus: Digitale Barrieren erschweren ihnen den Zugang zu Online-Diensten und nehmen ihnen dadurch die Möglichkeiten, aktiv an der zunehmend digitalisierten Gesellschaft teilzuhaben.

Die Realität der Web-Zugänglichkeit

In Deutschland leben 7,8 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung – das sind fast 10 % der deutschen Bevölkerung. Viele erleben täglich Barrieren im Internet, zum Beispiel durch fehlende Screen-Reader, schlecht lesbare Schriften oder schwache Kontraste. Diese Hindernisse betreffen nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch ältere Nutzer:innen mit motorischen Einschränkungen oder Sehschwäche. Die gemeinnützige Organisation Aktion Mensch spricht hier von 30 % der Webseiten-Besucher:innen, die auf eine digitale Barrierefreiheit angewiesen sind. Weltweit sind es sogar 16% der Bevölkerung, die sich selbst als beeinträchtigt einschätzen. Umso überraschender sind die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Studie, laut welcher etwa 96,3% der Webseiten Mängel mit ihrer Accessibility aufwiesen. Um sich gezielt einen Überblick über die aktuelle Lage in Deutschland zu verschaffen, haben die Aktion Mensch, Stiftung Pfennigparade, BITV-Consult und Google achtzig der meistbesuchten Online-Shops in Deutschland getestet. Das Ergebnis: 75% der untersuchten Shops waren nicht barrierefrei. Konkret lässt sich daraus schließen, dass grundlegende Anforderungen wie ausreichende Kontrastverhältnisse, die Nutzbarkeit ohne Maus (Tastatursteuerung) und die Kompatibilität mit Screen-Readern häufig missachtet werden. Die Vernachlässigung der Barrierefreiheit – trotz ihrer relativen Einfachheit in der Implementierung – lässt sich oft auf ein mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung und die potenziellen Vorteile zurückführen, sowie auf die irrtümliche Annahme, dass die Anpassungen kosten- und arbeitsintensiv seien.

93,6% der Webseiten weisen Mängel in ihrer Accessibility auf

WebAIM, Accessibility Report 2023

Rechtliche Rahmenbedingungen stoßen Veränderungen an

Die aktuellen Statistiken unterstreichen den akuten Handlungsbedarf in Sachen Web-Zugänglichkeit. Ein signifikanter Wandel muss allerdings schon bis Juni 2025 erreicht werden: Ab diesem Zeitpunkt sind privatwirtschaftliche Unternehmen gesetzlich verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Europaweit zielen diese Maßnahmen darauf ab, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen und Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung, Einschränkungen und ältere Menschen zu fördern. Für Unternehmen bedeutet dies, im Idealfall bereits im Vorfeld proaktiv zu handeln und die Barrierefreiheit spätestens bis zur genannten Frist zu garantieren.

Mit effektiven Maßnahmen zur digitalen Barrierefreiheit

Aktion Mensch bietet ein kostenloses Tool an, um die eigenen Webanwendungen auf ihre Benutzerfreundlichkeit und Bedienbarkeit zu prüfen. Umfangreiche Richtlinien, um die Barrieren der eigenen Webanwendungen zu reduzieren, bieten auch die Web Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortium (W3C). Die Umsetzung der Richtlinien basiert auf folgenden vier Grundprinzipien für die Gestaltung von Webseiten: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. (Link zu Grit-Arikel? “Erste Schritte in nachhaltiges Webdesign”)
Hier einige konkrete Vorschläge, die digitale Inhalte für Benutzer:innen mit unterschiedlichen Fähigkeiten besser verständlich machen:

1. Einfache Layouts: Die Gestaltung der Seite sollte einfach und intuitiv sein, ohne überflüssigen Content oder komplizierte interaktive Komponenten.
2. Alt-Text: Fügen Sie alle Bildern auf der Website einen beschreibenden Alternativtext hinzu.
3. Untertitel und Transkripte: Fügen Sie beides immer Ihren Audio- oder Videoinhalten hinzu.
4. Bieten Sie Kontext: Verwenden Sie, wenn möglich, neben Farben und Formen auch Text, um Inhalte zu vermitteln.
5. Optimale Lesbarkeit: Achten Sie auf einen ausreichenden Kontrast zwischen Text und Hintergrundfarben.

Darstellung des Nachhaltigkeitsdreiecks, welches aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales zusammengesetzt ist.

Und was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?

Nachhaltigkeit im digitalen Raum umfasst nicht nur ökologische und wirtschaftliche Aspekte, sondern sie berücksichtigt auch soziale Inklusion und Chancengleichheit. Ein barrierefreies Internet ist nicht länger nur eine Option, sondern wird endlich zum Standard. Die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN stärken diese Position: Sie setzen auf umfassende und langfristig tragfähige Entwicklungen in den Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Zugänglichkeit im Internet fördert Bildung, Dienstleistungen, wirtschaftliches Wachstum und Innovation und spielt eine Schlüsselrolle in der Verringerung von Ungleichheiten (SDG 10).

Die Implementierung von barrierefreiem Webdesign ist somit nicht nur ein Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit, sondern auch ein Beitrag zur ökologischen Verantwortung im digitalen Zeitalter. Indem Unternehmen Barrieren auf ihren Webseiten abbauen, können nicht nur rechtliche Vorgaben erfüllt werden, sondern sie sprechen auch eine Zielgruppe an, die sonst oft von digitalen Angeboten ausgeschlossen bleibt. Benutzerfreundliche Webseiten sind somit für uns alle ein Gewinn!

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein deutsches Gesetz, welches die EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act, EAA) umsetzt, um eine inklusive Gesellschaft zu fördern. Es legt klare und einheitliche Standards für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen fest, um die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilhabe zu verbessern und die Nutzung des europäischen Binnenmarktes für kleine und mittlere Unternehmen zu erleichtern.